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Flucht aus der Sahelzone nach Europa, wie der Zugang zu Strom einen Unterschied macht

Katharina S.
22. März 2022

Stell dir vor, es sind 40 Grad, die Sonne brennt auf deiner Haut, im Hinter­grund ächzt ein Diesel­motor, kurz vor der eigenen Erschöp­fung. Trotz der beißenden Hitze kreisen deine Gedanken um Zukunfts­fragen. Die Fragen halten sich an dir fest, sie lassen dich nicht mehr los: wann kann ich mit dem nächsten Regen rechnen? Wie lang bin ich noch in Sicher­heit? Und wie kann ich mir eine bessere Zukunft gestal­ten?
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Sahelzone – von Atlantikküste bis Rotes Meer

Die Sahelzone, bzw. der Sahel (arabisch ساحل „Küste“ oder „Ufer der Wüste“), beschreibt die Über­gangs­zone zwischen der Sahara im Norden und der Feucht­savanne im Süden. Ein Groß­teil des Sahel bildet sich aus den Staaten Senegal, Mauretanien, Mali, Burkina Faso und Niger.

Die Sahel­zone ist voller Geschichte, Kultur, Tanz, Musik und vor allem voller Menschen, welche lieben, lachen und feiern. Bei den Bewohner:innen des Sahel kommen aber zusätz­liche schwie­rige Umstän­den und politi­sche Spannungen hinzu.
Durch die geo­grafi­sche Lage des Sahel herrschen beson­dere klima­tische Umstände vor. Geprägt von langen Dürre­perio­den und seltenem Stark­regen, welcher von dem trockenen und harten Boden nicht aufge­nommen werden kann, fällt der Acker­bau schwer. Aufgrund von nicht vorhan­denen oder unzu­verläs­sigen, teuren Wasser­pumpen bleibt oft nur der Regen­feld­bau. Eine Form des Acker­baus, bei dem das Wasser für die Nutz­pflan­zen aus den Nieder­schlägen gedeckt wird und keine zusätz­liche künst­liche Bewässe­rung betrieben wird. Wodurch Land­wirt:innen gezwungen sind, alle 2 Jahre weiter­zu­ziehen, um eine Über­strapa­zierung der Erde zu vermei­den. Dies ist meistens aus finanziel­len Gründen und Lebens­mittel­mangel nicht möglich, nach einigen Jahren der Nutzung wird der Acker daher dement­sprechend ‘tot’. Die Nutz­flächen sind also nicht nur schweren Umstän­den ausge­setzt, sondern werden auch immer geringer. Hinzu kommt, dass, laut FAO, ca. 40 Prozent der Obst- und Gemüse­ernte verderben, da den Menschen die Möglich­keit zur Kühlung fehlt. Im Zuge der Klima­krise wird auch die Desertifi­kation weiter voran­ge­trieben. Desertifi­kation beschreibt die Ausbrei­tung der Wüste, wovon viele Menschen in der Sahel­zone betroffen sind. Im Zuge dessen geht jedes Jahr eine Nutz­fläche ungefähr in der Größe von Baden-Württem­berg verloren.

Für die stetig wachsende Bevöl­kerung – viele Kinder zu haben ist eine Art Alters­vorsorge – zieht dies nicht nur ein Armuts­problem nach sich, sondern auch eine große Lebens­mittel­knapp­heit. Als Resul­tat der existenz­be­drohen­den Umstände und der aussichts­losen Zukunft sehen einige Menschen sich gezwungen ihren Lebens­unter­halt durch krimi­nelle Aktivi­täten zu verdienen, wie illegalen Zigaretten-, Drogen- und Menschen­handel. Im Sahel operieren außerdem verschie­dene Terror­organi­sa­tionen, welche die instabile Situation der Regie­rung und die ethnischen Spannungen ausnutzen. Wodurch Hilfe­leistungen von Nicht­regierungs­organisa­tionen oft blockiert oder sogar verhin­dert werden.

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Bei vielen Menschen im Sahel ist der Wunsch groß nach Verän­derung, Aufbau und Lösungen für Probleme und Ursachen in ihrer Heimat, die schwache Infra­struktur der Länder lässt dies aber häufig nicht zu. Daher bleibt für viele Menschen als einzige Option die eigene Heimat zu verlassen. In den letzten zwei Jahren ist allein die Zahl der Binnen­flücht­linge um ein 4-faches gestiegen, so viel wie noch nie zuvor. Binnen­flücht­linge sind Geflüch­tete im eigenen Land, sie fliehen aus bestimmten Regionen oder Land­kreisen. Die benach­barten Länder haben oft mit ähnlichen Heraus­forderun­gen zu kämpfen wie das eigene, daher hoffen viele, am Ende nach Europa zu kommen. Vor allem junge Menschen nehmen den lebens­bedroh­lichen Weg auf sich, da sie für sich selber so wenig Zukunft in ihrer eigenen Heimat sehen. Doch allein auf dem Weg zum Mittel­meer sterben laut UNO mindestens doppelt so viele Menschen wie im Mittel­meer selbst. Auf dem Weg müssen viele Menschen die Wüste oder Gebiete durch­queren, in denen Krieg herrscht. Dort sind sie häufig Menschen­händler:innen, Folter und Inhaftierungen schutz­los ausge­liefert. Aber selbst wenn Geflüch­tete den Weg durch die Wüste und das Mittel­meer schaffen, bedeutet dies nicht, dass sie in Europa lang­fris­tig bleiben dürfen oder über­haupt aufge­nommen werden.

Die große Flücht­lings­bewe­gung aus der Sahel­zone ist keines­falls eine neue Entwick­lung. Seit Jahr­zehn­ten fliehen Hundert­tausende aus Angst, Verzweif­lung und besonders der Perspektiv­losig­keit im eigenen Land. Die einzige lang­fristige Lösung: eine grund­legende Verbes­serung der Lebens­um­stände vor Ort.

Neue Aussichten auf Veränderung

Um in der Zukunft Chancen auf bessere Lebens­umstände zu bieten, müssen die Regie­rungen grund­legende Ressourcen und Elemente (z.B. Bildung, Infra­struktur) bereit­stellen, welche eine aus­reichende Versor­gung der Bevölke­rung, mindestens mit Nahrungs­mitteln, sichern.

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Eine bis­lang fast unge­nutzte Ressource der Sahel­zone ist das Sonnen­licht, welches durch Solar­panels in Strom umge­wandelt werden kann. Der Zugang zu nach­haltig produ­zier­tem Strom bildet die Grund­lage für eine nach­haltige Entwick­lung der Länder der Sahel­zone. Selbst kleine Energie­mengen haben eine stark posi­tive Auswirkung auf die Lebens­quali­tät der Menschen. Durch steigenden Strom­ver­brauch, wird die Produkti­vität gestei­gert, wodurch mehr Arbeits­plätze entstehen und das Einkommen ansteigt.

Die Menschen hätten durch den Zugang zu Strom auch die Möglich­keit, das Inter­net zu nutzen, was eine bessere Bildung für junge Menschen in der Sahel­zone ermög­licht und ihnen somit zu mehr Selbst­bestim­mung ver­helfen kann. Durch bessere Bildung wird der wirt­schaft­liche Wachs­tum der Länder weiter unter­stützt.

Auch Land­wirt:innen profi­tieren vom Zugang zu Solar­strom, dadurch ist es ihnen möglich Wasser­pumpen zu betreiben, um ihre Äcker regel­mäßig zu bewässern oder auch Lebens­mittel länger erhalten, durch solar­betrie­bene Kühl­möglich­keiten. Dadurch wären sie nicht mehr abhängig von Nieder­schlägen oder in die Jahre gekommenen Diesel­genera­toren, welche kosten­intensiv in der Unter­haltung und unzuver­lässig sind. Hinzu kommt der teure Diesel, dadurch können sich die wenigsten Menschen den Betrieb eines Motors leisten und wenn, dann nur für ein paar Stunden pro Tag. Die Nutzung von Solar­strom könnte dement­sprechend stabilere Nahrungs­mittel­quellen ohne Angst vor dem nächsten Ernte­ausfall oder der schnellen Verderb­lich­keit dieser zu haben.

Der Zugang zu Strom würde also nicht nur einen Teil zur Lösung der Lebens­mittel­knapp­heit in der Sahel­zone darstellen, sondern auch jungen Menschen eine Perspek­tive bieten. Zudem würde die bessere Ausbil­dung von Fach­kräften die Wirt­schaft positiv beein­flussen. Durch das Lösen dieser existenz­bedrohen­den Grund­probleme würden sich die Konflikte inner­halb des Sahel entzerren und dadurch den Menschen Sicher­heit in ihren eigenen Ländern bieten, sowie auch die Chancen auf neue stabilere Regie­rungen aufbe­reiten.

Genau an diesem Lösungs­ansatz der Solar­energie möchte wir als Africa GreenTec anknüpfen. Wir versuchen damit einen Schritt in die richtige Rich­tung zu gehen, indem wir Menschen in der Sahel­zone die Möglich­keit bieten, nach­haltig Erneuer­bare Energie zu nutzen. Zusätz­lich haben Dörfer die Möglich­keit, solar­betrie­bene Kühl­systeme für Lebens­mittel in Anspruch zu nehmen, wobei wir auch Land­wirt:innen durch Wasser­reini­gung und Bewäs­serungs­systeme unter­stützen.
Bei unseren Solartainern haben außerdem nicht nur Privat­haus­halte die Möglich­keit Strom zu nutzen, sondern auch Unter­nehmen, z.B. das von Modibo Traore (seine ImpactStory könnt ihr in unserem ImpactBlog nachlesen) sowie soziale Einrich­tungen, wie Schulen oder Kranken­häusern. Dabei versuchen wir besonders vor Ort Arbeits­plätze zu schaffen, um Fach­kräfte auszu­bilden und Infras­trukturen weiterzu­bilden. Mit dem Fokus auf diesen Produktiv­strom unter­scheidet sich der Ansatz von Africa GreenTec entschei­dend von Pico-Solar­anlagen, die ledig­lich Privat­haus­halten die Möglich­keit bieten, Lade­geräte oder LED-Lampen zu nutzen.

Aktuell unter­stützen wir über 20 Dörfer in Mali und Niger (bald Senegal, Tschad und Madagaskar) mit Solar­strom und arbeiten täglich daran, noch mehr Menschen auch in anderen Ländern die Chance auf nach­haltige Energie zu bieten. In den Dörfern, mit denen wir bereits zusammen­arbeiten, haben wir die Erfahrung gemacht, dass unsere Arbeit und Produkte im Allge­meinen positiv aufge­fasst werden und einen positiven Einfluss auf das Leben der Bewohner:innen haben, wie z.B. das von Diessira Diallo (auch ihre ImpactStory findet ihr in unserem ImpactBlog).

Die Menschen vor Ort: Kunden statt Spenden­empfänger

Essentiell ist für uns vor allem eine Begegnung auf Augen­höhe mit den Menschen vor Ort, daher verschenken oder spenden wir unsere Leistungen nicht. Die Preise und Löhne sind dabei an die jewei­ligen Orte angepasst, womit sich eine ImpactSite möglichst selbst wirt­schaft­lich tragen und instand gehalten werden kann.
Das große Ziel ist es, Menschen, Unter­nehmen und Land­wirt:innen neue Chancen aufzu­bereiten und besonders Lebens­perspek­tiven für die nächsten Genera­tionen zu schaffen. Uns ist wichtig, keine kurz­lebigen Projekte in den jeweiligen Dörfern zu starten, sondern lang­fristige Struk­turen zu stärken oder aufzu­bauen.
Gerade jungen Menschen versuchen wir dadurch Hoff­nung auf ihre eigene Zukunft wieder­zu­geben und die Möglich­keit in ihrer Heimat etwas aufzu­bauen.

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Unser Solartainer in N'diob

Eine stabile Energie­versor­gung für die Bewohner:innen der Sahel­zone bedeutet, dass viele Menschen nicht mehr abhängig von dem nächsten Nieder­schlag, alten zusammen gebas­telten Diesel­motoren oder der Tages­zeit sind. Durch diese Zusicherungen ergibt sich die Chance, dass sich die Konflikte in den Ländern entzerren und sich die Menschen in ihrer Heimat wieder sicher fühlen, anstatt das Risiko einer Flucht auf sich zu nehmen.

Alle Probleme werden nicht durch Solar­energie gelöst, aber es gibt Menschen in der Sahel­zone eine Chance, welche ihnen sonst verwehrt bleibt. Eine Chance, die für uns alltäg­lich ist: Stabilität und Zukunfts­perspek­tive in der eigener Heimat – wodurch sie aus dieser nicht mehr flüchten müssen und vor Ort etwas aufbauen können.